Ein sinnvoller Umgang mit „Moving Targets“, oder wie wir alle etwas glücklicher werden können.
Jeder von uns kennt die folgende Situation, wenn auch von unterschiedlichen Seiten.
Das Produktmanagement der Firma SchnellUndNeu hat eine super Idee für ein innovatives Produkt (Inno 2.0), dass unbedingt so bald wie möglich auf dem Markt platziert werden soll. Das Entwicklungsteam von SchnellUndNeu ist aber bereits ausgelastet oder hat keine Spezialisten, die die anstehenden Arbeiten bearbeiten können. Daher sucht SchnellUndNeu eine Firma, bei der sie die Entwicklung in guten Händen wissen.
Nehmen wir einmal an, SchnellUndNeu wendet sich an CogniMed mit der Bitte um ein Angebot. Wie geht es jetzt weiter?
Vor 20 Jahren wäre das relativ einfach gewesen.
SchnellUndNeu hätte ein mehr oder weniger umfangreiches Lastenheft an CogniMed übergeben. Wir hätten die offenen Fragen geklärt und, nach Auftragsvergabe, die Entwicklung begonnen. Im Verlauf der Entwicklung wären dann eine kleine Anzahl von Änderungswünschen von SchnellUndNeu an CogniMed übermittelt worden. Bei einem kleinen Umfang hätten wir gesagt, „Passt schon“, größere Umbauten hätten wir über ein Nachtragsangebot geregelt.
Wie sieht es heute aus?
Das Lastenheft ist in der Regel deutlich dünner geworden oder nur in Ansätzen vorhanden (Ausnahmen bestätigen auch hier natürlich die Regel). „Inno 2.0“ als Produkt ist in der eigenen Wahrnehmung von SchnellUndNeu allerdings schon völlig klar ausdefiniert. Es gibt scheinbar kaum offene Fragen und der Rest wird später geklärt.
Zudem sind wir alle viel agiler geworden. Das bedeutet konkret in diesem Fall, Anforderungen ändern sich oder kommen neu hinzu, die Anzahl der „kaum offenen Fragen“ wird größer und auch diese ändern sich im Projektverlauf. Kurz gesagt, wir haben „Moving Targets“, die wir gemeinsam „zur Strecke“ bringen wollen.
Agilität ist an sich eine gute Sache. Man kann gemeinsam zeitnah auf sich ändernde Anforderungen aus dem Markt reagieren oder den einen oder anderen guten Einfall mit in „Inno 2.0“ aufnehmen. Aber dieses Vorgehen hat natürlich auch Konsequenzen.
Auf einer solchen Basis ein Angebot mit festen Konditionen zu machen ist schwierig, bis unmöglich.
Es gibt jetzt verschiedene Möglichkeiten, wie SchnellUndNeu und CogniMed zusammenarbeiten können.
1. Das Fix-Modell
CogniMed erstellt ein Angebot mit festen Kosten und Zeiten. Wie schon zuvor ausgeführt, setzt das ein Lastenheft mit einem hohen Reifegrad voraus.
Vorteil:
- Beide Seiten haben vorerst eine klare Vorstellung, was Zeiten und Kosten angeht.
Nachteile:
- Alles, was nicht in dem Angebot enthalten ist, muss einzeln neu verhandelt werden.
- Das bindet weitere Kapazitäten in der typischerweise knappen Projektlaufzeit.
- Meinungsverschiedenheiten sind vorprogrammiert.
- Mit „Moving Targets“ ist dieser Ansatz eigentlich nicht vereinbar.
2. Die Stunden-Fix-Kombination
SchnellUndNeu und CogniMed erarbeiten gemeinsam die Spezifikationen und ersten Schritte in dem Projekt, dabei arbeitet CogniMed auf Stundenbasis. Zu einem geeigneten Projektzeitpunkt folgt von CogniMed ein Angebot mit festen Terminen und Kosten. CogniMed arbeitet danach auf Festpreisbasis weiter.
Vorteile:
- Beide Firmen erarbeiten gemeinsam ein Lastenheft mit dem notwendigen Reifegrad.
- SchnellUndNeu profitiert von der Requirements-Management-Erfahrung des CogniMed-Teams.
- Parallel dazu können Machbarkeiten geprüft werden, die dann wieder in das Lastenheft einfließen.
Nachteil:
- Es braucht ein gemeinsames Verständnis für und Commitment zum Redaktionsschluss dieses Lastenheftes und dafür, dass ab diesem Zeitpunkt weitere Änderungen möglichst gegen null gehen sollten (Sonst entstehen die bereits unter 1 genannten Meinungsverschiedenheiten).
3. Das Stundenmodell
Gemeinsames Arbeiten über die gesamte Projektlaufzeit, CogniMed rechnet auf Stundenbasis ab, Termine werden fließend aktualisiert.
Vorteile:
- Beide Seiten reagieren gemeinsam auf die „Moving targets“
- Die Diskussion von Änderungswünschen reduziert sich auf die Auswirkungen auf Termine und Funktionalität.
- Die Projektkapazitäten werden auf die Umsetzung fokussiert und nicht auf erneute Abschätzungen und Diskussionen über die Höhe der Änderungskosten.
- Die Kosten sind vollkommen transparent.
Nachteile:
- Dieses Vorgehen setzt ein gemeinsame Vertrauensbasis voraus, die SchnellUndNeu und CogniMed sich in der Regel in einem vorherigen Projekt erarbeitet haben.
- Die realen Projektkosten sind zu Anfang schwieriger abschätzbar, weil die Anforderungen eben noch nicht ausdefiniert sind. Hier ist eine gemeinsame Schätzung notwendig, die unscharf ist, was aber der Realität von „Moving Targets“ entspricht.
Fazit
Nach unseren in fast drei Jahrzehnten gesammelten Erfahrungen haben alle drei Modelle weiterhin ihre Berechtigung. Das beste Modell hängt immer von dem konkreten Fall ab.
Sobald die beiden Faktoren „Vertrauensbasis“ und „Moving Targets“ oder noch nicht ausreichend definierte Anforderungen zusammentreffen, ist unser Ansicht die Stundenvariante die beste Wahl. Hier werden der Kreativität nur kleine Grenzen gesetzt und alle können sich voll auf die Projektumsetzung konzentrieren.
Am Ende steht ein Produkt, hinter dem alle stehen und deutlich weniger Stress in Randbereichen.